Innovation

Kampf gegen Kinderkrebs in den Zentren Máxima und KiTZ

22.09.2022

Marcel Kool ist Wissenschaftler und leitet Forschungsteams für pädiatrische Hirntumore am Prinses Máxima Centrum für pädiatrische Onkologie (Máxima) im niederländischen Utrecht und am Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) in Heidelberg, Deutschland. Johanna Oberhollenzer ist Ärztin am Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin in Heidelberg und Generalsekretärin der Kooperation zwischen dem Máxima und dem KiTZ. In diesem Interview beantworten Marcel und Johanna gemeinsam die Fragen der DNHK.

September ist der internationale Kinderkrebsmonat. Warum ist das Thema für uns alle so wichtig? 

Krebs ist in Europa die häufigste Todesursache bei Kindern ab dem ersten Lebensjahr. In Europa werden jährlich mehr als 35.000 Fälle diagnostiziert, über 6.000 junge Patienten sterben jedes Jahr an bösartigen Tumoren. Weltweit wird im Durchschnitt alle 80 Sekunden ein Kind mit Krebs diagnostiziert. 

Krebs bei Kindern unterscheidet sich in seiner Biologie, der klinischen Klassifizierung und Behandlung oft grundlegend von Tumorerkrankungen, die im Erwachsenenalter auftreten. Die Frühdiagnose von Krebs im Kindesalter ist schwierig. Hinzu kommt, dass es mindestens 12 unterschiedliche pädiatrische Krebstypen mit über 100 Subtypen gibt. Dies bedeutet auch, dass jeder Fall individuell betrachtet werden muss und seine eigenen Herausforderungen an die Diagnostik und Therapie stellt.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass bis zum Jahr 2025 mehr als eine halbe Million von Krebs geheilter Kinder und Jugendliche in Europa leben werden. Bis zu zwei Drittel von ihnen entwickeln schwerwiegende Nebenwirkungen und Langzeitfolgen der Erkrankung und Therapie. 

Was sind die größten Herausforderungen in der Kinderkrebsforschung? 

Vor sechzig Jahren konnte Krebs nur bei etwa einem von fünf erkrankten Kindern geheilt werden. Dank der kontinuierlichen Investitionen in die Forschung überleben heute etwa 75 Prozent der Kinder. Das ist ein großer Fortschritt. Trotzdem sind einige Arten von Krebs bei Kindern nach wie vor schwer therapierbar oder gar unheilbar, insbesondere Hirntumore. Auch wenn eine Krebserkrankung zunächst überstanden ist, kommt es bei jeder fünften Erkrankung zu einem Rückfall.

Gerade dann ist es eine große Herausforderung, passende therapeutische Konzepte zu identifizieren. Wir möchten auch die Nebenwirkungen der Krebstherapien reduzieren und für eine verbesserte Lebensqualität während und nach der Therapie sorgen. 

Um diese Ziele zu erreichen ist es wichtig, dass wir umfassende und strukturierte Datensätze aufbauen, um neue Erkenntnisse auch über sehr seltene Tumorarten im Kindesalter zu gewinnen. Sämtliche Abschnitte des Forschungsprozesses bergen Herausforderungen. So ist es etwa weiterhin schwierig, klinische Studien für Krebserkrankungen im Kindesalter zu organisieren. Aufgrund der vergleichsweise geringen Anzahl von PatientInnen ist die Entwicklung neuer Therapien aus wirtschaftlicher Sicht unattraktiv. Deshalb ist die akademische Forschung so wichtig. Sensibilisierungs- und Fundraising-Kampagnen sind unerlässlich, um diese Herausforderungen zu bewältigen und unsere Ziele zu erreichen. 

Das KiTZ-Máxima Twinning Programm bringt zwei führende europäische Zentren für Kinderkrebs zusammen. Was sind die Vorteile dieser deutsch-niederländischen Zusammenarbeit? 

Wir sehen uns als europäische Allianz für eine Kindheit ohne Krebs und stellen uns mit vereinten Kräften den Herausforderungen. Gemeinsam erzielen wir zielgerichtetere und schnellere Fortschritte für unsere jungen Patienten. 

Das Máxima ist das nationale pädiatrische Tumorzentrum der Niederlande und das größte Kinderonkologiezentrum Europas. Mediziner und Forscher arbeiten hier eng zusammen, um den Kindern bessere Behandlungen und eine höhere Lebensqualität zu ermöglichen. 

Das KiTZ ist eine gemeinsame Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des Universitätsklinikums Heidelberg und der Universität Heidelberg. Es ist nach dem amerikanischen Vorbild der so genannten "Comprehensive Cancer Center" gleichzeitig Therapie- und Forschungszentrum, das erste in Deutschland für onkologische und hämatologische Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter. 

Krebs kennt keine Grenzen; wir ebenfalls nicht. Mit diesem Twinning-Programm bauen wir die notwendigen Brücken und zeigen, wie Zusammenarbeit als europäische Allianz in der pädiatrischen Onkologie funktionieren kann.

Was sind die konkreten Ziele des Twinning-Programms, die für krebskranke Kinder einen Unterschied machen werden? 

Unsere gemeinsame akademische Forschung beschleunigt multidisziplinäre Studien, die Entwicklung neuer Therapien und deren Einsatz in der Patientenversorgung. Dank der Zusammenarbeit beider Zentren, können wir nicht nur schneller den Erfolg dieser neuen Therapien beurteilen, sondern zusätzlich neue Hypothesen aufstellen. Der Erfolg dieses Programmes ist von finanzieller Unterstützung abhängig, um die wir uns gemeinsam in den Niederlanden, Deutschland und europaweit bemühen. 

Können Sie uns Beispiele für aktuelle gemeinsame Forschungsprojekte nennen? 

Wir arbeiten aktuell zum Beispiel an einer Infrastruktur, um Daten und präklinische Modelle verschiedener kindlicher Krebsarten gemeinsam zu nutzen. Eine weitere Projektgruppe arbeitet an der Etablierung gemeinsamer Standards für sogenannte „liquide Biopsien“. Zudem arbeiten wir gemeinsam an Immuntherapien für Sarkome - bösartige Tumore, die in den Knochen und im Weichteilgewebe entstehen. Außerdem testen wir, ob Veränderungen in der Ernährung der Patienten die Wirkung von Chemotherapien verstärken und gleichzeitig die Toxizität verringern können. 

Text: Marcel Kool, Johanna Oberhollenzer, Jeremy Gray.
Fotoquelle: Prinses-Máxima-Centrum, KiTZ. Links im Bild: Prinzessin Máxima bei der Gründung des Twinning-Programms. Rechts: Marcel Kool und Johanna Oberhollenzer.

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