Das niederländische Arbeitsrecht ist von einem merkwürdigen Ungleichgewicht geprägt. Häufig geht dies zu Lasten der Arbeitgeber, in manchen Fällen auch zu Lasten der Arbeitnehmer, wie zum Beispiel bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten und Vertragsstrafen. Eine weitere Schieflage befindet sich nach Ansicht des niederländischen Gesetzgebers in der unterschiedlichen Rechtslage von Arbeitskräften mit befristeten Arbeitsverträgen einerseits und Arbeitskräften mit unbefristeten Arbeitsverträgen andererseits. Deshalb hat die niederländische Regierung einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem das niederländische Arbeitsrecht erneut geändert werden soll. Erneut, weil bereits im Jahre 2015 eine bedeutende Änderung im niederländischen Arbeitsrecht durchgeführt worden ist, die nun teilweise wieder rückgängig gemacht werden soll.
Der Gesetzentwurf (veröffentlicht in Kamerstukken II 2018/19, 35075, nrs. 1-4) trägt den schönen Namen ‚Arbeitsmarkt in Balance‘, weil er unter anderem zu einer Verbesserung des Verhältnisses zwischen befristeten und unbefristeten Arbeitsverträgen führen soll. Wer sich den Gesetzentwurf näher ansieht, stellt aber schnell fest, dass die grundlegenden Probleme leider nicht angegangen werden. Grundlegend problematisch sind nämlich sowohl der Kündigungsschutz als auch die Regelungen zur Arbeitsunfähigkeit. Diese führen nicht nur dazu, dass man Arbeitgebern bei Ersteinstellungen nur von unbefristeten Arbeitsverträgen abraten kann, sondern auch dazu, dass Arbeitgeber nach Auswege suchen. Solche Auswege können zum Beispiel die Zeitarbeit, das sogenannte Payrolling und die Beauftragung Solo-Selbstständiger sein.
Der Gesetzentwurf beinhaltet nun unter anderem die Verlängerung des höchstzulässigen Gesamtzeitraums für Befristungen. Dieser soll, wie bereits in der Vergangenheit, wieder drei Jahre betragen. Zudem soll die Befristungsmöglichkeit für bestimmte Arbeiten erweitert werden. Wie diese Maßnahmen allerdings zu einer Anhebung von unbefristeten Arbeitsverträgen führen sollen, bleibt schleierhaft. Dafür greift der Gesetzentwurf nach einer Maßnahme, die sich noch nie bewährt haben dürfte: bestimmte Sozialversicherungsbeiträge sollen für unbefristete Arbeitsverträge niedriger als für befristete Arbeitsverträge sein. Zudem sollen Arbeitskräfte ab dem ersten Tag des Arbeitsvertrags und nicht erst ab einer Betriebszugehörigkeit von 24 Monaten Anspruch auf eine Abfindung haben, wenn der Arbeitsvertrag – kurz gesagt- auf Veranlassung des Arbeitgebers endet. Auch in dieser Hinsicht ist völlig unklar, weshalb sich daraus ein Anreiz ergeben soll, Arbeitskräfte unbefristet einzustellen.
Zur Lockerung des Kündigungsschutzes soll nach dem Gesetzentwurf ein neuer Auflösungsgrund geschaffen werden. Dieser Auflösungsgrund – der nur in gerichtlichen Auflösungsverfahren zum Tragen kommen kann- soll Auffangtatbestand für Fälle sein, in denen einzelne Gründe nicht zur gerichtlichen Auflösung des Arbeitsvertrags ausreichen, aber die Auflösung des Arbeitsvertrags bei einer Gesamtwürdigung der Gründe geboten erscheint. Nun mag es erfreulich sein, dass Auflösungsanträge nicht mehr strikt nach einzelnen Gründen geprüft werden, sondern eine Gesamtwürdigung der Umstände stattfinden soll. Allerdings sind und waren gerichtliche Auflösungsverfahren sicherlich nicht die erste Wahl für Arbeitgeber, wenn es um die Beendigung des Arbeitsvertrags geht. Sie sind langwierig, teuer und ihr Ergebnis ist ungewiss. Diese Lockerung des Kündigungsschutzes dürfte für viele Arbeitgeber in der Praxis daher gar nicht relevant werden.
Der Gesetzentwurf ist zurecht auf scharfe Kritik des niederländischen Staatsrats (Raad van State) gestoßen. Bemängelt wird vor allem, dass die angedachten Lösungen nur zu einer Verlagerung von Problemen führen und eine grundlegende Herangehensweise fehlt. So berechtigt diese Kritik ist, so unwahrscheinlich ist es leider auch, dass es zu einer Verbesserung kommt. Für eine grundlegende Änderung des niederländischen Kündigungsschutzes und der Regelungen zur Arbeitsunfähigkeit dürfte es nämlich an dem notwendigen Konsens fehlen. (Quelle: NJB 40/ 2018, S. 3055ff.)
DNHK, Ulrike Tudyka