Ein Gesetz zur Sicherung des fairen Handels in der gesamten Kette: Seit Anfang dieses Jahres ist in Deutschland das Lieferkettensorgfaltsplichtengesetz (LkSG), kurz Lieferkettengesetz, in Kraft getreten. Das Gesetz zwingt deutsche Unternehmen nicht nur, Verantwortung in ihrer Lieferkette zu übernehmen, sondern hilft den Unternehmern auch, die Menschenrechte und die Umwelt zu respektieren, und schärft das Bewusstsein für die Risiken, die auftreten können.
Derzeit gilt das Gesetz für Unternehmen in Deutschland mit mehr als dreitausend Beschäftigten. Ab dem nächsten Jahr gilt es für Unternehmen mit 1000 Beschäftigten. Diese Unternehmen sind verpflichtet, ihre direkten Zulieferer auf Menschenrechtsverletzungen und Umweltschutzaspekte zu überprüfen.
Was muss ein Unternehmen tun, um das Lieferkettengesetz einzuhalten?
Um das Gesetz einzuhalten, müssen die Unternehmen ihre Lieferanten und potenzielle Risiken identifizieren. Zu diesem Zweck hat das deutsche Bundesministerium für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle einen digitalen Fragebogen erstellt, in dem Unternehmer Fragen zur Situation ihrer Lieferanten beantworten. Darüber hinaus müssen die Unternehmen Richtlinien zur Einhaltung des Lieferkettengesetz aufstellen, überwachen und berichten oder Kontrollen durchführen. Den Unternehmen wird außerdem empfohlen, jedes Jahr stichprobenartig 10 Prozent ihrer Lieferanten vor Ort zu überprüfen.
Digitale Plattform kann bei der Erfassung der Lieferkette helfen
All dies ist jedoch leichter gesagt als getan, vor allem, wenn mehrere Lieferanten beteiligt sind und die Situation schwer zu beurteilen ist. Um Unternehmer dabei zu unterstützen und anzuleiten, arbeitet die Deutsch-Niederländische Handelskammer mit dem deutschen Unternehmen Cargodian zusammen. Das Unternehmen hilft Unternehmen dabei, Einblick in ihre Lieferanten zu gewinnen und hat im vergangenen Jahr die digitale Plattform Trustnet.Trade eingerichtet, die Unternehmen bei der Überwachung und Berichterstattung hilft.
"Im Grunde geht es darum, Risikomanagement für den Aufbau einer Lieferkette zu nutzen", erklärt Katharina Schöne, Senior Sales Executive bei Cargodian. "Wir stellen Unternehmern über unsere Plattform eine Checkliste zur Verfügung, mit welcher sie Stück für Stück ein passendes Risikomanagement aufbauen und mögliche Risiken in der Lieferkette erkennen können." Laut Schöne kennen die meisten Unternehmer ihre Lieferanten und können daher die Checkliste relativ schnell durchgehen. "Der Mehrwert unserer Plattform liegt vor allem in der automatisierten Analyse", sagt sie. Die Plattform bildet zunächst die Risiken bestimmter Länder ab und dann die individuelle Risikoanalyse für jeden Lieferanten. "Diese Risiken basieren zum Beispiel auf Sanktionen oder Medienberichten." Anhand von Ampelfarben können Unternehmer auf einen Blick sehen, wo mögliche Risiken liegen.
Nachfassende Schritte
Zeigen sich bei einer Nacherhebung oder einer Stichprobe Probleme, muss gehandelt werden. Schöne erklärt, dass nach dem Gesetz Präventions- und Abhilfemaßnahmen definiert werden müssen, die über die Plattform Trustnet.Trade direkt angewendet werden können. In jedem Fall wird dem Lieferanten Zeit gegeben, seine Angelegenheiten in Ordnung zu bringen. "In schwierigen Fällen setzen wir Anwälte ein, um den Lieferanten dabei zu unterstützen. Wir tun alles, um die Situation zu verbessern. Die Ablehnung eines Lieferanten oder die Beendigung einer Geschäftsbeziehung ist daher der allerletzte Ausweg", sagt sie. "Solange klar ist, dass eine Risikoanalyse stattfindet, und für die identifizierten Risiken und Verstösse eine Lösung aktiv angestrebt wird, droht dem Unternehmer aus Deutschland auch kein Bußgeld."
Besserer Überblick über die Lieferkette und mögliche Risiken
Dank des Gesetzes wird nicht nur der faire Handel gefördert, die Unternehmen erhalten auch einen besseren Einblick, wo logistische Risiken liegen. "Dabei spielt es keine Rolle, ob die Lieferkette bis nach Bayern oder bis nach China reicht", sagt Schöne. "Wenn es in bestimmten Regionen strukturelle Probleme gibt, kann man dank des besseren Einblicks schon im Vorfeld sehen, ob das zu erhöhten Risiken führt und ihnen vorbeugen, indem man zum Beispiel einen zweiten Lieferanten in einer anderen Region sucht."
EU-Gesetzgebung
Neben der Gesetzgebung unter anderem in Deutschland, dem Vereinigten Königreich und Frankreich wird voraussichtlich im nächsten Jahr auch die Europäische Union Rechtsvorschriften erlassen. Diese wird laut Schöne strenger ausfallen als das deutsche Gesetz. "Die EU- Richtlinie wird für Unternehmer mit mindestens 500 Beschäftigten gelten, für bestimmte Branchen sogar mindestens 250. Und es geht nicht nur um die Lieferkette bis zur Produktion, sondern die Wertschöpfungskette bis hin zum Kunden“. Außerdem ermöglicht das europäische Gesetz eine persönliche Verantwortung der Unternehmer und orientiert sich stärker an den Pariser Klimazielen.
Überwachung interessant für deutsche KMU – aber auch für niederländische
Viele KMU sind vom Gesetz noch nicht direkt betroffen, werden aber durch neue Verträge von ihren Großkunden dazu aufgefordert, den Sorgfaltspflichten des Lieferkettengesetzes ebenfalls zu entsprechen. Und das gilt nicht nur für deutsche, sondern auch für niederländische Unternehmen.
Die Plattform von Cargodian richtet sich vor allem an kleine und mittlere Unternehmen, da diese oft nicht über die Ressourcen und das Wissen im eigenen Haus verfügen und auf Digitalisierung angewiesen sind, um gesetzeskonform zu sein. Daneben ist die Plattform auch für niederländische Unternehmen verfügbar, welche die Risiken in ihrer Lieferketten identifizieren wollen. Laut Schöne hat Cargodian schon vielen kleineren Unternehmen geholfen. "Neben Erwartungen von den Kunden, ist es auch gut für den Ruf", sagt Schöne. "Es gibt also viele Gründe, sich im Vorfeld auf das neue Lieferkettengesetz vorzubereiten."
Foto: Mika Baumeister